Wegkommen vom «Entweder – Oder»

Geht es um klassische romantisch-sexuelle Beziehungen, kennen die meisten Menschen nur das Entweder-Oder. Entweder man ist „zusammen“, oder nicht.

In dieser Logik geht «Zusammensein» mit Folgendem einher: man ist sich gegenseitig die zentralste und wichtigste Person im Leben, alle anderen Beziehungen sind der Paarbeziehung untergeordnet. Man plant mit dieser einen Person seine nähere und fernere (private) Zukunft, ist ihr körperlich am nächsten und hat mit ihr Sex. Ausserdem lernt man Freund*innen und Familie voneinander kennen und unternimmt generell viel gemeinsam. Zudem scheint es wichtig zu sein, die Nächte gemeinsam zu verbringen und in den meisten Fällen früher oder später zusammen zu ziehen. Das (unbewusste) Ziel: zunehmende Verschmelzung with the one.

Oder, man ist getrennt: von diesem Moment an muss man sich sukzessive oder auch sehr plötzlich voneinander „entflechten“. Die andere Person darf nun keine allzu hohe Wichtigkeit mehr einnehmen im eigenen Leben. Man spricht nur noch das Nötigste, plant sein Leben ohne sie, hat keinen oder kaum noch Körperkontakt und unternimmt nichts mehr zusammen. Man kann nicht (mehr) zusammen wohnen und auch nicht mehr beieinander übernachten, und die Beziehungen zu ihren Freund*innen und ihrer Familie lösen sich abrupt auf oder sind in Frage gestellt.

Beziehung als Hochrisiko-Spiel. Alles oder nichts. Zwischentöne? Graustufen? Fehlanzeige. Das wäre emotional nicht möglich, es wäre viel zu kompliziert und schwierig.

Okay.

Nachdem ich mich nach zwei qualvollen Krisenjahren mit Depressionen, Panikattacken und existenziellen Ängsten von meinem Partner getrennt hatte, mit dem ich 17 Jahre «zusammen» gewesen war, wurde mir klar, was für ein Bullshit dieses Entweder-Oder ist. Ihn aus meinem Leben zu verbannen wäre mir so vorgekommen, als würde man mir ein Bein oder einen Arm amputieren wollen. Warum sollte er mir nun nicht mehr wichtig sein? Wieso sollte ich nun nichts mehr mit ihm unternehmen können? Wieso sollte ich ihn nun nicht mehr berühren wollen? Wieso sollte ich nicht mehr an seinem Alltag Anteil nehmen? Ihm nahe sein?

Wieso tun sich andere Menschen gegenseitig so etwas an? (Sofern die Beziehung nicht gewaltvoll oder auf sonstige Weise „toxisch“ war).

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